Flexibilität in der Gastronomie - Balanceakt statt Wunderwaffe?
Flexibilität in der Gastronomie – Balanceakt statt Wunderwaffe?
Flexibilität. Dieses Schlagwort geistert heute durch jede HR-Abteilung und jeden Karriereratgeber. Mehr Selbstbestimmung, bessere Vereinbarkeit von Job und Freizeit, gesteigerte Arbeitgeberattraktivität…. klingt eigentlich nach Win-Win, oder?
Gerade die jüngeren Generationen setzen auf flexible Arbeitsmodelle, klare Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben und möglichst viel Mitgestaltung. Doch wie gut lässt sich das in einem Bereich realisieren, der von Schichtplänen, spontanen Ausfällen und dem berühmten „jetzt-aber-schnell“-Tempo geprägt ist? Willkommen im Alltag der Gastronomie.
Wunsch und Wirklichkeit – ein ewiges Hin und Her
In der Theorie klingt es traumhaft: Mitarbeitende entscheiden mit, wann und wie sie arbeiten. In der Praxis sieht’s dann aber oft anders aus: Wenn draußen plötzlich die Sonne rauskommt und die Terrasse vollläuft, wenn ein Kollege krank wird oder sich das Wetter von „naja“ auf „alle-wollen-raus“ ändert, dann braucht es Menschen. Vor Ort. Spontan. Bereit. Punkt.
Hier beginnt der Tanz zwischen Wunschdenken und Realität. Denn je individueller die Arbeitszeitwünsche, desto schwerer wird’s, den Betrieb effizient zu steuern. Was auf dem Papier nach Freiheit schreit, kann sich schnell nach Chaos anfühlen und das für alle Beteiligten.
Flexibilität darf keine Einbahnstraße sein
Ja, viele Mitarbeitende möchten flexibel arbeiten. Aber manchmal bleibt dieser Wunsch auch etwas… einseitig. Denn oft wird Flexibilität nur eingefordert, aber nicht zurückgegeben. Mitarbeitende wünschen sich Mitspracherecht bei Schichten, aber sind weniger bereit, spontan einzuspringen. Frei nach dem Motto: „Ich würde ja mehr arbeiten, aber nur zu genau diesen drei Zeitfenstern und am Wochenende geht eh nicht.“ Klar, das Leben hat seine festen Strukturen aber genau deshalb braucht es in der Gastronomie eine gemeinsame Basis für Flexibilität. Kein Wunschkonzert, sondern ein offener Dialog. Und der muss ehrlich sein. Denn wenn plötzlich alle gleichzeitig als Erste nach Hause wollen, weil’s halt gerade passt, läuft der Laden eben nicht mehr.
Deshalb: Flexibilität braucht Fairness. Wer sie möchte, muss sie auch leben und das bedeutet manchmal auch, kurzfristig einzuspringen, Aufgaben zu übernehmen oder für KollegInnen da zu sein. Und gleichzeitig braucht es von Führungskräften ein ehrliches Commitment: Wer flexibel arbeiten darf, wird nicht dafür bestraft, sondern bekommt auch Planungssicherheit zurück.
Kurz: Flexibilität ist ein Geben und Nehmen. Wer nur nimmt, destabilisiert das Teamgefüge.
Das Problem sitzt oft tiefer...
Viele Konflikte im Betrieb entstehen nicht, weil die Leute nicht wollen, sondern weil die Strukturen veraltet sind. Weil sich viele hinter dem Satz „Das haben wir immer so gemacht“ verstecken. Und gerade in Unternehmen mit langer Historie und treuen Mitarbeitenden zeigt sich das besonders deutlich.
Denn da steckt unglaublich viel Potenzial aber eben auch viel Gewohnheit. Strukturen, die früher wunderbar funktioniert haben, passen heute oft nicht mehr. Dienstpläne per Zettel, mündliche Absprachen, keine digitale Übersicht - das sorgt für leider oft Chaos, nicht für Klarheit.
Und es kommt noch was dazu: Wer jahrzehntelang loyale Mitarbeitende hatte, verlässt sich auf deren Einsatz. Doch wenn Personal fehlt, steigt der Druck und plötzlich stehen neue KollegInnen da, unvorbereitet, ohne Einblick in Standards oder Abläufe. Und trotzdem bekommen sie mehr „Freiheiten“ als das Stammpersonal.
Wo jeder weiß, was Sache ist - aber niemand drüber spricht
Genau hier kippt die Stimmung. Die Frustrierten sind oft die, die den Laden am Laufen halten. Die, die wissen, wie der Hase läuft, aber zusehen müssen, wie ineffizientes Verhalten durchgewunken wird. Einfach mitgeschleift. Vielleicht, weil’s gerade keine Alternativen gibt. Vielleicht auch aus Bequemlichkeit.
Aber: Das rächt sich. Wenn Loyalität selbstverständlich wird, wird sie irgendwann ausgebeutet. Dann hangelt man sich durch mit Notlösungen, delegiert Aufgaben an die Falschen und wundert sich, warum die Leistung sinkt, die Stimmung kippt und die Kosten steigen. Besonders bitter: Oft bekommen gerade jene, die unproduktiv sind, plötzlich mehr Verantwortung. Weil sie „flexibel“ sind. Weil sie halt da sind. Und das, obwohl sie nicht wirklich liefern.
Kurzsichtig ist das und auch um ehrlich zu sein …paradox. Das geht so lange gut, bis die Loyalität der „alten Garde“ aufgebraucht ist. Und wenn die mal weg ist, bleibt von der gewohnten Stabilität nicht mehr viel übrig.
Zwischen Veränderung und Verlässlichkeit: communication is key
Flexibilität kann funktionieren. Ja sogar in der Gastronomie. Aber nur, wenn alle Seiten an einem Strang ziehen. Wenn Kommunikation kein Tabu ist. Wenn Verantwortung nicht einseitig verteilt wird. Und wenn Führungskräfte den Mut haben, sowohl neue Modelle zuzulassen als auch klare Grenzen zu setzen. Digitale Tools, Mitgestaltung bei Dienstplänen, transparente Absprachen, ja - all das kann helfen. Vorausgesetzt, man traut sich raus aus der Komfortzone. Denn: Wer immer nur Konflikten aus dem Weg geht, weil es „schon irgendwie passt“, verpasst die Chance auf echte Veränderung.
Und genau hier hapert’s oft: Die Kommunikation stimmt nicht.
Viele Konflikte entstehen nicht unbedingt nur, weil zu wenig Personal da ist, sondern weil zu wenig gesprochen wird. Über Bedürfnisse. Über Frustrationen. Über Erwartungen. Über das, was möglich ist und was eben nicht.
Ein Beispiel: Wenn ein Teammitglied regelmäßig zu spät kommt, aber niemand es anspricht, entsteht Unmut. Wenn Schichten immer auf dieselben Schultern verteilt werden, aber keiner fragt, warum, staut sich Frust an. Und wenn man aus Angst vor Konfrontation nichts sagt, brodelt es weiter.
Gute Kommunikation heißt nicht, alles schönzureden. Es heißt, klar zu sein. Transparent. Und auch mal unbequeme Dinge anzusprechen. Führungskräfte müssen nicht alles ermöglichen, aber ehrlich erklären, warum manches eben nicht geht.
Fazit: Flexibilität braucht Struktur und ehrliches Miteinander
Flexibilität ist kein Selbstläufer. Und schon gar kein Allheilmittel. Sie funktioniert nur, wenn sie beidseitig gelebt wird mit klaren Regeln, realistischer Planung und echter Teamarbeit. Sie verlangt nach Balance: zwischen den Bedürfnissen der Einzelnen und den Anforderungen des Betriebs. Zwischen Verlässlichkeit und Veränderung. Zwischen loyalen Old-School-Werten und modernen Arbeitsmodellen.
Denn die eigentliche Kunst liegt nicht darin, alles möglich zu machen – sondern gemeinsam zu definieren, was wirklich möglich ist.