Wenn Wertschätzung zur Ausnahme wird – verliert das Unternehmen seine Besten
Die Übersehenen & warum gerade die Besten gefährdet sind
In vielen Unternehmen gibt es sie: die, auf die man sich blind verlassen kann. Sie liefern, denken mit, übernehmen Verantwortung und das nicht, weil es jemand verlangt, sondern weil es in ihrer Haltung liegt. Sie brauchen keine Show, kein Rampenlicht, keine Bühne. Es sind die stillen LeistungsträgerInnen, die alles am Laufen halten.
Doch gerade weil sie so verlässlich sind, geraten sie leicht aus dem Fokus. Während andere lautstark Aufmerksamkeit einfordern oder bei jeder kleinen Extrarunde nach Applaus schielen, machen sie einfach weiter. Ohne zu murren. Ohne viel Aufhebens. Und genau das macht sie so wertvoll aber auch leider gefährdet.
Warum? Viele Unternehmen überlasten diese Mitarbeitenden und das nicht unbedingt absichtlich, aber kontinuierlich. Aufgaben landen bei denen, die „eh immer funktionieren“. Verantwortung wird verschoben, weil man weiß, dass sie sich kümmern werden. Und während sie im Alltag alles geben, bleibt die Rückmeldung oft aus. Anerkennung? Fehlanzeige. Feedback? Nur, wenn mal etwas nicht läuft. Entwicklungsmöglichkeiten? Nicht selten: gleich null.
Wertschätzung darf kein Bühnenspektakel bleiben
Natürlich, ja es gibt sie: die Jubiläen, die Kick-offs, die Dankesreden. Das 25-jährige Firmenjubiläum wird feierlich begangen, der Jahresauftakt bringt Standing Ovations für das gesamte Team. Der Vorstand klopft symbolisch auf viele Schultern. Doch all das bleibt punktuell.
Im Alltag passiert oft das Gegenteil: Die Rückendeckung fehlt. Die Perspektive fehlt. Und vor allem fehlt die gelebte Haltung, die sagt: „Wir sehen dich. Und das, was du leistest, ist entscheidend.“ Gerade dort, wo Anerkennung eine Selbstverständlichkeit sein sollte, mitten im laufenden Betrieb, herrscht Flaute.
Das ist mehr als ein emotionales Defizit. Es ist ein strategisches Risiko. Denn MitarbeiterInnen, die konstant mehr geben und dafür wenig zurückbekommen, stellen irgendwann auf Selbstschutz um. Und dieser Selbstschutz hat viele Gesichter. Manche kündigen offen. Andere bleiben und kündigen still.
Wenn Leistung sich nicht mehr lohnt
Silent Quitting. Ein Begriff, der inzwischen Einzug in den Führungsetagen gefunden hat aber oft zu oberflächlich verstanden wird. Denn Silent Quitting bedeutet nicht Faulheit oder Unlust. Es ist das bewusste Zurückziehen des über das Erwartbare hinausgehenden Engagements.
Aber fangen wir von vorne an. Wie entsteht Silent Quitting überhaupt? Es ist ein schleichender Prozess. Niemand wacht eines Morgens auf und denkt: „Ich mache jetzt nur noch das Nötigste.“ Doch wenn Engagement ständig übersehen wird, wenn niemand hinsieht, wenn persönliche Entwicklungsmöglichkeiten fehlen, dann sinkt natürlich irgendwann die Bereitschaft, weiterhin mehr zu geben.
Zunächst werden Aufgaben einfach nur „noch erledigt“. Dann werden Initiativen zurückgefahren. Ideen bleiben unausgesprochen. Die innere Verbindung zum Unternehmen löst sich. Keine Extraschichten mehr. Keine Initiative. Keine Leidenschaft. Nur noch das, was im Vertrag steht und keinen Schritt weiter. Der Unterschied zur offenen Kündigung? Dieser Wandel passiert leise. Ohne große Worte. Ohne Konflikt und wird genau deshalb meist viel zu spät erkannt. Man merkt es oft erst zu spät oder eben auch gar nicht.
Und genau dieses Verhalten, ist für Unternehmen fatal. Denn es trifft paradoxerweise nicht die Unmotivierten, sondern häufig genau die, die vorher besonders engagiert waren. Die, die mitgedacht, mitgezogen und mitgetragen haben. Sie reduzieren nicht ihre Kompetenz, sondern ihre Bereitschaft, mehr zu leisten als notwendig.
Schlimmer noch: Diese Entwicklung zieht Kreise. Wenn andere im Team sehen, dass sich Engagement nicht auszahlt, dass die Lauten mehr Aufmerksamkeit bekommen als die Verlässlichen, dann entsteht Resignation. Warum sich anstrengen, wenn es keinen Unterschied macht? Warum Verantwortung übernehmen, wenn Sichtbarkeit mehr zählt als Substanz? Langfristig verändert das die gesamte Kultur. Der Anspruch sinkt. Qualität wird zur Nebensache. Und die Dynamik, die Teams eigentlich antreibt, geht verloren. Aus Überzeugung wird Gleichgültigkeit und aus Potenzial wird schlicht und einfach Mittelmaß.
Die Wissenschaft dahinter: Was McKinsey dazu sagt
Wie zentral dieses Thema für den langfristigen Unternehmenserfolg ist, zeigt auch die aktuelle McKinsey-Studie „Performance through People“(2023). Ihre Kernaussage ist deutlich: Langfristiger unternehmerischer Erfolg hängt entscheidend von einer kleinen Gruppe an HochleisterInnen ab, jene die die Verantwortung übernehmen, über ihre Rolle hinausdenken und konstant überdurchschnittliche Leistung bringen.
Und genau darin liegt die Gefahr: Ausgerechnet diese entscheidenden LeistungsträgerInnen sind am stärksten gefährdet, nämlich wenn sie dauerhaft übersehen werden. Denn sie halten nicht nur operativ vieles am Laufen, sie prägen maßgeblich Kultur, Qualität und Innovationsfähigkeit. Und genau deshalb ist es ein strategischer Fehler, ihre Beiträge als selbstverständlich zu behandeln. Wenn diese Menschen innerlich kündigen, ausbrennen oder das Unternehmen verlassen, verliert man nicht nur Fachwissen, man verliert den Motor. Und das spürt man nicht sofort. Aber langfristig sehr deutlich.
Kulturwandel beginnt nicht mit Strategie, sondern mit echter Führung
Wer das verhindern will, muss erkennen: Wertschätzung ist kein „Soft Skill“, sondern ein harter Erfolgsfaktor. Und sie beginnt nicht auf der großen Bühne, sondern im Kleinen – im Alltag, im Gespräch, im echten Interesse an den Menschen. Dienstag, 11:40 Uhr. Eine kurze Rückmeldung. Ein echtes Danke. Eine ehrliche Frage nach dem Befinden.
Führungskräfte tragen hier eine enorme Verantwortung. Nicht nur, um Aufgaben zu verteilen, sondern um Menschen zu halten, um Engagement zu fördern und um die richtigen Leute nicht nur zu beschäftigen, sondern aktiv zu entwickeln.
Es reicht nicht, in Employer-Branding-Kampagnen von Wertschätzung zu sprechen. Sie muss spürbar sein und zwar konstant und verlässlich. Das bedeutet nicht, dass jede beziehungsweise jeder tagtäglich gelobt werden muss. Aber es bedeutet, dass niemand einfach übersehen werden darf.
Was Unternehmen jetzt tun können
Bei Make Management erleben wir immer wieder, wie groß der Unterschied ist, wenn Unternehmen anfangen, genau hinzuhören. Unsere Make360°-Analysen bringen auf den Punkt, was viele nur ahnen: dass es oft die stillen HochleisterInnen sind, die am meisten unter der Unsichtbarkeit ihrer Beiträge leiden.
Die Lösung liegt nicht in einer Bonusregelung oder einem neuen Lob-Format. Sondern in echter, systemischer Veränderung: Führung, die erkennt, wer wirklich trägt. HR, das nicht nur verwaltet, sondern begleitet. Strukturen, die Entwicklung ermöglichen – für alle, nicht nur für die Lauten. Und eine Unternehmenskultur, in der Leistung nicht still vorausgesetzt, sondern bewusst gesehen wird.
Fazit: Wer seine Besten behalten will, muss sie im Alltag sichtbar machen
Wertschätzung darf keine reine Eventkultur sein, vielmehr muss sie Alltag werden. Denn Unternehmen leben von denen, die freiwillig mehr geben. Wenn diese Menschen fehlen oder sich innerlich verabschieden, dann bleibt nur noch Mittelmaß mit schöner Fassade.
Wer das verhindern will, braucht keinen Feel-Good-Manager. Sondern Führungskräfte, die ernst nehmen, was Menschen wirklich motiviert und ihre wahren Stärken erkennt. Um dann die Verantwortung zu übernehmen, damit Hochleistung kein stilles Opfer bleibt, sondern ein bewusstes Commitment, dass gesehen, gefördert und gehalten wird.